Wochenrückblick des Unbehagens 20
Norman ist mal wieder im Studio, womit das Tonelend beseitigt sein sollte. Freude. Weniger Freude bereiten Cyber-de-Maizière, Pferderennen, Uranmienen, gesetzeswidrige Steuern, Strafzinsen und anderer Unsinn. Vielleicht gibt es zwischendurch auch etwas schönes. Seid gespannt!
00:00:00 Intro/Begrüßung
00:03:08 Montag: Niemand spielt mit Katar und gefundere Zähne
00:18:44 Dienstag: Recycling in Afrika, „Da darf niemand mehr dran arbeiten!“, norwegische Kinofans und göttliche Fischeier
00:40:15 Mittwoch: Strafzins, drei Wochen Wartezeit, spanische Uranminen und keine Kernbrennstoffsteuer
01:00:40 Donnerstag: Whistleblowerbezahlung, Dauerwerbesendungen auf Youtube, das erste Referendum und die künstliche Whiskyzunge
01:24:38 Freitag: Toter Produzent, wählende Briten, Frau Geimer spricht und noch ein Referendum
01:44:26 Samstag: Toter Adam, Güllewasser, Überwachungs-de-Maizière und Facetten der Rechten
02:12:10 Sonntag: Und noch ein Referendum… und mehr Retrospiele
02:21:30 Abschied/Outro
Nur weil die Anfängen der Demokratie von Populismus geprägt war, macht es Populismus heute nicht weniger problematisch. Norman hat seinen Begriff von Populismus ja nur geringfügig erklärt. Meine Definition von Populismus ist, dass man scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme präsentiert und dabei nicht anhand von Fakten, sondern mit Gefühlen oder rhetorischen Mitteln wie ad hominem. Dadurch wird die ganze Diskussion über entsprechende Themen verunsachlicht und vom Kern abgewichen. Die soziologische Definition, welche noch besonders hervorhebt, dass Populismus die Gesellschaft in „das einfache Volk“ und „die privilegierten Eliten“ einteilt, will ich hier mal ausklammern.
So betrachtet ist die Forderung von De Maiziére nach mehr Überwachung gegen den Terror ein durch und durch populistischer Vorschlag. Nicht nur begründet er seine Position mit keinerlei Fakten oder Belegen, im Gegenteil diese sprechen eher gegen ihn. Die Debatte verlagert sich dann aber auch eine grundsätzliche darüber, ob Überwachung gerechtfertigt ist oder nicht. Es wird nicht mehr darüber diskutiert, was die Ursachen für die Probleme sind und wie man jene Beheben kann, sondern ob die Mittel zur Bekämpfung jener Problem an sich legitim sind. Das ist das komplette Gegenteil von ergebnisorientiert, was Politik meiner Meinung nach sein sollte.
Eine populistische Politik ist in meinen Augen eine, die dafür sorgt, dass das Volk oder zumindest möglichst viele dessen hinter einem steht/stehen und die Politik (unter-)stützen. Es ist komplett irrelevant, ob das nun in den Anfängen der Demokratie, in einer heutigen Parteiendemokratie oder in einem autoritären Staat vorkommt.
Der Bau von Sozialwohnungen (ich weiß nicht, ob es im klassischen Griechenland so etwas in der Art gab; wahrscheinlich nicht) wäre in wahrscheinlich jedem dieser Beispiele populistische Politik, denn man hätte sicher einen Großteil der armen Bevölkerung hinter sich, und daran sieht man, dass populistische Politik nach meinem Verständnis gar nichts Schlechtes sein muss.
Einem Großteil der Berufspolitiker unterstelle ich, dass sie gern wiedergewählt werden möchten. Also ist populistische Politik nötig, eine Politik also, hinter der das Volk steht, die dem Volk gefällt. Ob sie gut für das Volk ist oder schlecht, ob sie sich in zwanzig Jahren als klug oder vollkommen daneben erweisen wird, ob sie den Staat in den internationalen Beziehungen ins Abseits führen wird oder ihn total beliebt macht, ist vollkommen irrelevant in dieser Definition. Populismus ist für mich weder ein positiver, noch ein negativer Begriff, sondern nur eine Beschreibung von Politik bzw. auch politischer Reden etc. (für gewöhnlich mit Versprechen, womit wir aber wieder bei populistischer Politik sind), die dem Volk gefallen.
Man kann aus anderen Winkeln populistische Politik sogar als etwas Positives ansehen. Soweit ich weiß lässt Frau Dr. Merkel vom BPA häufig Umfragen durchführen und richtet ihre Politik relativ stark an den Ergebnissen aus. Das ist nach meiner Definition populistisch. Aber es ist doch anscheinend auch das, was ein großer Teil des Volkes wünscht und sollten Politiker nicht das Volk vertreten, insbesondere eine Regierung, die (in Deutschland) ja nicht direkt gewählt wurde und ein ganzes Land repräsentiert?
Im Grunde ist auch eine Politik, die Rousseaus volonté générale umsetzt, populistisch, aber es ist doch der allgemeine Wille des Volkes, der Schnittpunkt der Einzelmeinungen, um es stark zu vereinfachen. Und Rousseau nennt eine Entscheidung, die sich an dem volonté générale ausrichtet, immer gut.
Ich bin i.Ü. vollkommen deiner Meinung, dass de Maizières Forderung populistisch ist, denn es ist die Forderung nach einer Politik, hinter der außerordentlich viele Menschen stehen (dass da wohl v.a. die Medien dran schuld sind, ist hierbei irrelevant). Ich halte diese Forderung auch für schlecht.
Aber die einzige Bedingung, die nach meiner Definition für Populismus nötig ist, ist eben, dass es das Volk hinter jemanden oder etwas bringt. Das ist eine sehr weite Definition, das ist mir bewusst, aber das ist auch der Grund, wieso ich solche Probleme damit habe, irgendwelchen Politikern Populismus vorzuwerfen, denn ich kann da niemandem einen Vorwurf für machen, und v.a. Populismus als eine Vorstufe der Radikalität zu sehen. Geht man von der, wie ich finde, oftmals ziemlich unpassenden Achse von extrem links bis extrem rechts aus und verortet wie Bender Populismus von außen herangehend zwischen links-/rechtsradikal und dem, was dann in Richtung Mitte folgt, dann passt zumindest mein Populismusbegriff da nicht wirklich rein.
Außerdem wüsste ich gern, was genau Rechtspopulismus und Linkspopulismus sein sollen. Was wird denn darunter eingeordnet? Das ZDF nannte Corbyn mal einen „linken Spinner“ und Die Linke gilt vielen als linkspopulistisch, aber was bedeutet das? Und gibt es nicht auch christpopulistisch, liberalpopulistisch (und wo ist die Abgrenzung zu Libertären, die Bender vielleicht als Liberalextremisten bezeichnen würde) oder meinetwegen küstenpopulistisch (die Leute fördern wollend, die an der Küste leben oder so etwas)? Diese Einteilungen scheinen mir ziemlich willkürlich und irrelevant, denn Populismus kann man überall finden. Und wie angeführt ist er nicht immer schlecht.
Gute Reden bzw. Politiker, die eloquent sind, tun sich im Populismus wohl nur einfacher, denn mit ihren Reden können sie Wähler/Bürger/das Volk einfacher hinter sich bzw. ihre Politik bringen.